Bogenschießen für hochsensible Kinder

Ist Bogenschießen für hochsensible Kinder das richtige?

Solltest ich mein Kind zum Bogenschießen schicken, auch wenn oder weil es hochsensibel ist?

Wie kann ich mein hochsensibles Kind zum Bogenschießen motivieren?

Diese Fragen stellen sich bestimmt viele Eltern.

Die Antwort darauf ist keinesfalls trivial. Im Gegenteil! Es ist sicher noch mal eine ganz besondere Herausforderung, wenn man nicht nur mit der eigenen Veranlagung klar kommen muss, sondern auch einem Kind mit den besonderen Fähigkeiten und Kehrseiten der Hochsensibilität eine gute und möglichst unbelastete Kindheit bieten will.

Bogenschießen hat sehr viele positive Aspekte für Kinder und Jugendliche. Auch oder gerade für hochsensible Kinder. Was man dabei aber berücksichtigen und worauf man achten sollte, erfährst du in dem heutigen Artikel.

Bogenschießen für Kinder

Über die Vorteile, die Bogenschießen für alle Kinder ich gerade in dem Artikel zur inneren Familie etwas geschrieben.

Daher hier nur die wesentlichen Vorteile von Bogenschießen für Kinder:

  • Raus in die Natur statt vor dem Computer zu sitzen
  • Selbstvertrauen und Verantwortungsbewusstsein durch die Erlaubnis, etwas potentiell gefährliches zu tun
  • Training der Koordination und der Körperwahrnehmung
  • Training der Konzentrationsfähigkeit und Ruhe finden

 

Meine Kinderkurse

Ich durfte einige Jahre regelmäßig ein paar Kinder im Alter von 9 – 12 Jahren im Bogenschießen unterrichten. Mein Fokus war dabei noch nicht auf dem Thema Hochsensibilität.
Im nachhinein gesehen bin ich mir aber sicher, dass einige Kinder dabei waren, die sehr wahrscheinlich hochsensibel sind. Die Kurse waren super, haben mir und den Kindern sehr viel Spaß gemacht und ich habe sehr gutes Feedback von den Eltern bekommen. Und doch weiß ich heute auch, dass ich vielleicht nicht immer auf die besondere Veranlagung der hochsensiblen Kinder eingegangen bin, weil ich es zu dem Zeitpunkt auch noch nicht besser wusste.

Darüber möchte ich heute ganz offen schreiben, denn vielleicht kannst du aus meinen Erfahrungen etwas für dich mitnehmen, wenn du dich gerade mit Bogenschießen für hochsensible Kinder beschäftigst.

 

Ziele

Der Kurs war ein Teil des Nachmittagsunterricht für die Kinder. Eigentlich mehr Entertainment. Es gab also kein Leistungsziel, keinen vorgegebenen Lehrplan oder sowas. Wie motiviert man also die Kinder jede Woche wieder aufmerksam und diszipliniert an dem Kurs teilzunehmen? Genau, durch Leistungsvergleich, durch einen kleinen Wettbewerb, neu-deutsch „challenge“.

Ich denke auch heute noch, dass das gut war. Es hat den meisten Spaß gemacht und ich habe mich bemüht die Kinder, die vielleicht nicht gleich den Bogen raus hatten, individuell zu unterstützen. Niemand wurde gerügt oder gar abgewertet, weil es vielleicht nicht so gut getroffen hat.

Ich glaube auch, dass Kinder sich über Grenzen erfahren. Sich zu messen mit den anderen, den eigenen Platz im Vergleich zu anderen zu bestimmen, gehört bei Kindern dazu. Als Erwachsene reflektieren wir uns selbst. Daher richtet sich meine Balanced-Mind-Methode auch vorwiegend an Erwachsene. Die Meditation, den Fokus nach Innen richten und das eigene Empfinden zu reflektieren ist eher für Erwachsenen typisch.

Nicht das Kinder und Jugendliche ihr Tun nicht reflektieren würden, doch geht der Blick dann meist eher zu den anderen, also die Reflexion im Außen statt im Innen. Deswegen ist es ja so fatal für das Selbstbewusstsein und das Selbstvertrauen hochsensibler Kinder, wenn Sie von ihrer Umwelt reflektiert bekommen, dass sie sich „nicht so anstellen sollen“, wenn für sie der Pulli unerträglich auf der Haut kratzt.

 

Zeit lassen

Auch die Kinder in meinem Kurs, die ich heute als hochsensibel einschätzen würde, hatten Spaß an dem Spiel. Heute würde ich nur langsamer beginnen, die Kids langsamer an den Bogen und die ersten Schüsse heranführen.

Eine neue Umgebung, ein neuer Lehrer, eine neue Bewegung, eine neuer Aufgabe das sind ganz schön viele neue Eindrücke auf einmal. Hochsensible Kinder haben auch oft ein ausgeprägtes Gespür für potentielle Gefahren. Sie schauen sich neue Dinge gerne erstmal aus der Entfernung an und schätzen dabei auch die Gefahren ein. Herumlaufende Kinder, fliegende Pfeile, ein getroffenes Ziel, das sind viele potentielle Gefahren. Hier würde ich diesen Kindern bewusst die Zeit geben, diese Eindrücke zunächst zu verarbeiten, in dem zum Beispiel lieber erst die normal-sensiblen Kinder anfangen und die neue Bewegung vormachen. So können die hochsensiblen Kinder dann einsteigen, wenn sie sich selbst soweit fühlen und die ersten Eindrücke für sich in Ruhe verarbeiten konnten.

Hochsensible Kinder mögen oft auch keinen echten Wettkampf. Das liegt an ihrem Hang zum Perfektionismus. Denn jeder Wettkampf beinhaltet das Risiko eines Scheiterns. Oder sie sind verbissen ehrgeizig um ihrem eigene inneren Perfektionismus gerecht zu werden. Hier tanzt man als Trainer also einen Drahtseilakt zwischen Motivation durch spielerische Spannung und dem Auffangen von zu viel Emotion beim Gewinnen oder Verlieren.

Diese Kinder sehen aber auch gerne anderen zu, feuern sie an oder leiden mit ihnen mit. Die für viele hochsensible Menschen typische Empathie ist meist auch schon bei den Kindern stark ausgeprägt. Hochsensible Kinder erleben den Sieg und die Niederlagen eines Freundes, mit dem sie sich verbunden fühlen, wie ihre eigenen. Daher war es mir immer wichtig, den Beginn und das Ende des Kurses mit einer Rund zu beginnen, bei der jedes Kind sagen konnte, was gerade in ihm vorgeht. So können sie sich ihrer Emotionen bewusst werden und als Trainer hat man die Chance auf die Emotionen einzugehen.

 

Autorität

Ich scheine eine natürliche Autorität zu besitzen. So war die Disziplin und die Sicherheit immer in Ordnung, im Gegenteil: durch meine eigene Hochsensibilität empfinden mich manche vielleicht als zu genau, was die Sicherheitsregeln angeht.

Autorität kann auch abschrecken. Ich kann mich selbst noch an meine Schulzeit erinnern, als wir einen Sportlehrer hatten, der in rüder Bundeswehr-Manier die langsamsten Läufer der Klasse mit einem gebrüllten „lauf, du Kartoffel“ zu motivieren versuchte. Gerade auf hochsensible Kinder kann das erschreckend wirken, denn dieses brüllen, vielleicht noch mit einer gefühlten Aggression in der Stimme, sind sehr heftige Sinneseindrücke.

Ich bin sehr froh, dass ich auf solche Methoden immer verzichten konnte und es trotzdem jedes mal sehr disziplinierte Gruppen mit viel Spaß am Bogenschießen waren.

Solltest du überlegen, deinem Kind das Bogenschiessen zu ermöglichen, schau dir den Trainer und seine Methoden um Autorität zu erreichen am besten vorher einmal an. Sicherheit muss immer oberste Priorität haben, dich ein Kasernen-Ton ist nicht die ideale Umgebung für hochsensible Kinder.

 

Bullying/Hänseln

Hier war ich wirklich sehr rigeros. Wenn einer der Kinder einen anderen ausgelacht hat oder unsportliche Kommentare von sich gegeben hat, durfte er mindestens eine Runde aussetzen. Manchmal auch den Rest der Stunde zuschauen. So kam im Kurs erst gar kein bullying auf. Denn gehänselt zu werden ist auch ein Sinneseindruck, eine Erfahrung, die für hochsensible Kinder besonders traumatisch sein kann.

Durch ihre besondere Veranlagung stehen sie anfangs gerne etwas abseits, schauen sich das Geschehen zunächst an und stürzen sich nur selten Hals über Kopf ins Abenteuer. Das macht sie manchmal zu Aussenseitern und damit zu potentiellen Opfern. Hier sind Eltern, Lehrer und Trainer gefragt, jeden Ansatz dazu im Keim zu ersticken. Was auf dem Pausenhof oder auf dem Weg zum Bus passiert kann man nicht kontrollieren, doch in den Stunden kann man das Selbstbewusstsein der hochsensiblen Kinder durch die Anerkennung ihrer Veranlagung stärken. Und ein starkes Selbstbewusstsein ist vielleicht der beste Schutz vor bullying.

 

Projektion

Als Trainer tappt man leicht in die Falle, die Potentiale der Kinder auf die eigenen Wünsche zu projizieren. „Du hast das Zeug zu mehr“ hört man sich dann sagen. Doch ist das auch der Wunsch des Kindes? Ist das sein Ziel, oder vielleicht nur das der Eltern oder des Trainers? „Du musst was aus deinem Talent machen!“ ist auch so ein sympthomatischer Satz. Natürlich sollten Talente gefördert werden. Aber nur wenn die Kinder es auch selbst wollen. Hier kann ich den Artikel „Was junge Athleten motiviert und wie du sie förderst“ meines Kollegen Martin Feigenwinter sehr empfehlen.

Und auch wenn es mir unangenehm ist, so bin ich selbst vielleicht auch mal in die Falle getappt, wenn ein Kind besonders gut geschossen hat. Das habe ich daran gemerkt, dass ich selbst enttäuscht war, wenn es nicht weiter machen wollte. Das war jetzt nicht so schlimm, weil die Kurse eh immer zeitlich begrenzt waren, aber als Trainer in einem Verein, in dem man die Kinder zum Teil lange Zeit begleitet, kann das eine große Herausforderung sein. Hier hilft sicher ein kollegialer Austausch, eine Supervision mit anderen Trainern, die einen ggf. darauf aufmerksam machen können.

 

Schutz, Erfahrungen und das Leben

Ich bin sicher, alle Eltern wollen ihr Kind schützen. Ihm schmerzhafte oder unangenehme Erfahrungen ersparen. Doch gehören diese Erfahrungen sicher auch zum erwachsen werden dazu. Denn irgendwann sind die Eltern nicht mehr da und man muss selbst in dieser Welt zurecht kommen. Das gilt auch für hochsensible Kinder.
Ich glaube daher nicht, dass es der richtige Weg ist, diese Kinder in Watte zu packen. Es geht nicht darum zu versuchen, ihnen alles zu ersparen. Sondern Verständnis zu haben, Verständnis für die besonderen Veranlagungen. Diese Veranlagung zu respektieren und den Kindern zu zeigen, wie sie die Stärken die sich daraus ergeben für sich nutzen können und wie sie mit den Nachteilen möglichst gut umgehen können.

Das fordert natürlich die Eltern in ganz besonderer Weise. Ein Kind das nach einer intensiven Sinneserfahrung unglaublich ungenießbar ist, bis es etwas zu essen hat (das Gehirn hat mehr Glukose durch die Verarbeitung der Sinneseindrücke verbraucht, als bei einen normal-sensiblen Kind), kann zum Beispiel zu einer echten Belastungsprobe für die eigene Geduld werde. Doch wenn man die Herausforderungen der Hochsensibilität kennt, sich mit dem Thema als Eltern beschäftigt, dann kann man manchmal ganz einfache Lösungen finden, zum Beispiel immer ein paar „Notfall-Kekse“ im Auto zu haben.

 

Hochsensibilität ist erblich

Davon geht die Wissenschaft zumindest derzeit aus. Wissen die Eltern also um das tiefe Erleben von Eindrücken als hochsensibler Mensch, so können sie sich leichter in ihr Kind hinein versetzen und intuitiv entscheiden, was ihrem Kind gut tut und was nicht. Darüber hinaus hilft es natürlich, sich auch bewusst mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen, denn dann kann man von den Lösungsansätzen und Erfahrungen anderer profitieren und den eigenen Kinder vielleicht doch die ein oder andere unnötig negative Erfahrung ersparen. Das du diesen Artikel jetzt gelesen hast, ist vielleicht ein kleiner Baustein dazu.

Bogenschießen für hochsensible Kinder ist also eine gute Sache, besonders wenn der Trainer um dieses Thema weiß oder sogar selbst hochsensibel ist.

 

Welche Erfahrungen hast du mit deinen hochsensiblen Kindern beim Sport gemacht?

 

 

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