Was du über die Federformen für Pfeile wissen musst

Im ersten Video zum Thema „Federn für Pfeile“ aus der Bogenblog Basics Videoserie haben wir die Theorie und die Grundlagen besprochen.

Wir wissen jetzt, welche Kräfte auf unseren Pfeil einwirken und ihn abbremsen. Wir wissen auch, wie diese Kräfte ihn ablenken können und welche Möglichkeiten es gibt, um ihn zu stabilisieren.

Heute können wir daher an den nächsten Teil gehen: wie beeinflussen die Federformen für Pfeile, wie stabil und weit deine Pfeile fliegen? Welche Rolle hat die unterschiedliche Länge der Federn trotz gleicher Form? Und wie wirkt sich das ganze beim Schießen aus?

Diese Fragen beantworte ich dir heute im zweiten Video:

Bogenblog Basics Video: Federformen für Pfeile

 

Dr. Reynolds, bitte in den OP…

In der Aerodynamik gibt es eine wichtige Kennzahl aus der Strömungslehre, die Reynoldszahl. Vereinfacht gesagt, gibt sie an, wie viele Turbulenzen ein Objekt beim Durchströmen eines anderen Objekts, z.B. Luft oder Wasser erzeugt. Je mehr Turbulenzen, desto mehr Bremswirkung.

 

Lang bremst länger

Die Reynoldszahl hängt von der Länge des Objekts ab, je länger desto höher die Reynoldszahl.

Man sieht das schön im Vergleich von einem Segelflugzeug und einer kleinen Propeller-Maschine. Das Segelflugzeug hat lange, schlanke Flügel und das Propeller-Flugzeug kurze, breite Flügel.

Die Tragflächen bei dem Segelflugzeug haben eine kleinere Reynoldszahl als die des Propeller-Flugzeug. Dadurch die geringe Bremswirkung kann das Segelflugzeug viel länger segeln, als die Propeller-Maschine, wenn der Motor aus ist.

Übertragen wir das auf die Federn am Pfeil, bremsen lange Federn also stärker. Ein Vorteil langer Federn ist aber, dass der Luftwiederstand früher angreifen kann und so durch die Flügelstabilisierung den Pfeil stabilisieren kann.

 

Die Höhe sorgt für Wirbel

Eine sehr kurze, aber hohe Feder würde dem Luftwiderstand zwar erst etwas später einen Angriffspunkt bieten, doch hätte sie einen entscheidenden Vorteil: mehr Drall.

Der Drall entsteht ja, wenn die Luft auf die gebogene Feder trifft. Durch die unterschiedlichen Punkte, versetzt es den Pfeil in Rotation, den gewünschten Drall.

Aus diesem Prinzip sind zum Beispiel die Rotoren an modernen Windrädern so lang und schmal: Sie bieten dem Wind durch die Länge viele Angriffspunkte und werden durch die kleine Reynoldszahl nur so wenig wie möglich gebremst.

Hohe Federn stabilisieren einen Pfeil also schneller.

Allerdings hätte eine extrem kurze aber hohe Feder beim Bogenschiessen auch einige Nachteile:

  1. Macroaufnahme einer FederStabilität: eine Feder besteht aus einzelnen Federstrahlen, die zusammenhängen. Unterschiedlich lange Strahlen geben Stabilität. Einer kurzen und hohen Feder würde diese Stabilität fehlen, was zu einer Unwucht im Flug führen kann und damit den eigentlich Vorteil zunichte machen würde.
  2. Anstoßen: eine hohe Feder kann leichter anstoßen, zum Beispiel am Bogen beim Abschuss oder an Bäumen und Blättern auf dem Flug zum Ziel. Zusammen mit der fehlenden Stabilität (siehe 1.) würde es erneut zu einer Unwucht kommen.
  3. Regen: Federn legen sich als Naturmaterial bei Regen an den Federkiel an. Bei so einer hohen Feder wäre der Unterschied im Flugverhalten zwischen einer trockenen und einer nassen Feder sehr groß und damit für den Schützen im Feld ein Risiko

 

 

Die Fläche macht den Unterschied bei den Federformen für Pfeile

Extreme Formen bei Federn sind eher untypisch. Es gibt nur wenige sehr hohe und kurze oder lange und flache Federformen.

Die meisten sind ein Kompromiss, denn die zuvor beschrieben Kräfte ergänzen sich in der Fläche, also wenn eine Feder hoch und lang ist. Die Kombination aus Länge und Höhe ergibt die Fläche der Feder.

Gehen wir nochmal zu dem Bild vom Segelflugzeug zurück. Diese haben ja sehr schmale Flügel für eine geringe Reynoldszahl, aber sehr lange Flügel. Durch die Länge entsteht die notwendige Fläche um genug Auftrieb zu erzeugen, damit das Flugzeug nicht wie ein Stein vom Himmel fällt. Kurz und schmal würde nur bei sehr hohen Geschwindigkeiten funktionieren.

Die Federfläche ergänzt also Drall und Flügelstabilisierung und sorgt so für maximale Stabilisierung, bremst aber auch.

Ins Extrem getrieben wäre das der Flu-flu-Pfeil, mit extrem langen und maximal hohen Federn. Die sollen den Pfeil schnell stabilisieren, bremsen ihn aber auch sehr stark ab, was bei diesem Pfeil ja gewünscht ist.

Diese Bremswirkung entsteht nicht nur durch die Länge, also die höhere Reynoldszahl, sondern auch durch das Material selbst. Eine Feder besteht ja aus den einzelnen Federstrahlen, die entlang des Kiels angeordnet und miteinander verkettet sind, wie ein Klettverschluss. Dadurch ist die Unterseite einer Feder rauer als die Oberseite und dadurch entstehen unterschiedliche Kräfte, unten ein Sog und oben Auftrieb. Das lässt Vögel leichter fliegen und verstärkt bei unseren Pfeilen den Drall nochmal. So ergibt sich die unter Bogenschützen bekannte Formel: je größer die Feder, desto höher die Stabilisierung aber desto langsamer der Pfeil.

 

Verschiedene Längen der selben Federform

Es gibt viele Federformen in unterschiedlichen Längen. Die Höhe bleibt dabei meist annähernd gleich.

Ich habe für dich hier mal die Fläche der weit verbreiteten shield-Form in unterschiedlichen Federlängen ausgemessen:

Flächenvergleich Federformen für Pfeile

Eine 5″ shield Feder hat also über 30% mehr Fläche, als eine 3″ Feder in der selben Form.

Damit ist klar, dass die 5″ Feder deutlich mehr stabilisiert, durch die Länge aber auch mehr bremst als die kürzeren Versionen.

Fläche und Form

In dem Bild siehst du auch einen Vergleich zwischen einer 4″ shield-Form und einer 4″ parabol-Form. Die parabol-Feder hat bei gleicher Länge und annähernd gleicher Höhe, dennoch 12,5% weniger Fläche als die shield-Form.

Praktisch bedeutet das, dass die parabol-Form durch die geringere Fläche ein bisschen weniger bremst.

Oft wird von den Fans der einen oder anderen Form auch eine mehr oder weniger starke Geräuschentwicklung angeführt. Diese entsteht an den Kanten der Feder durch Verwirbelungen der Luft, woraus sich schließen lassen würde, das laute Federn langsamer sind als leise Formen. Da es hierzu aber keine Messwerte gibt, lasse ich diesen Aspekt außen vor und erwähne ihn nur der Vollständigkeit halber.

 

Stabilisierung vs. Geschwindigkeit

Was bedeutet es, wenn von „bremsen“ und Geschwindigkeit die Rede ist? Fällt ein Pfeil mit 5″ Federn wie ein Stein vom Himmel?

Nein, der Geschwindigkeitsverlust macht sich erst in der Distanz bemerkbar.

So habe ich für diesen Artikel jeweils zehn Pfeile mit 3″, 4″ und 5″ Federn durch einen Chronometer, also eine Geschwindigkeitsmessanlage geschossen, die 90cm vom Bogen entfernt war. Dieser Aufbau ist typisch um die Geschwindigkeit von Bögen durch ihre Anfangsgeschwindigkeit (V0) zu vergleichen.

Alle 3 Pfeile erreichten bis auf 1 fps (Messtoleranz) die selbe Geschwindigkeit.

Die Bremswirkung tritt also eindeutig erst später auf der Flugkurve auf und sorgt für ein früheres Abfallen des Pfeil.

So schreibt die Firma Gateway, ein Hersteller für Federn, auf ihrer Website, dass sie eine 4″ shield mit einer 4″ parabol auf 30 years (27,4 m) verglichen haben und beide gleich schnell waren.

Da die Flugkurve von der Kraft und dem Wirkungsgrad des jeweiligen Bogens abhängt, des Gewicht und das Verhalten des Pfeilschafts den Pfeilflug auch massiv beeinflussen kann, ja sogar die Aussentemperatur der Luft einen deutlichen Einfluss hat, gibt es leider keinen Katalog, in dem man die Flugkurve nachschauen und daran seine optimale Federform auswählen könnte.

 

Fazit

Du weißt nun aus dem ersten Teil, welche Kräfte auf den Pfeil einwirken und hast in diesem Artikel erfahren, wie die Federn an unseren Pfeilen das ausgleichen.

Du hast auch gesehen, wie sich die unterschiedlichen Längen von Federn auf die Fläche auswirken, trotz der selben Federform. Und durch den Geschwindigkeitstest hast du auch gesehen, dass sich die Bremswirkung erst auf größere Distanzen bemerkbar macht.

Im dritten Teil gehen wir daher auf die Wahl der Federn je nach Einsatzzweck ein und streifen dabei auch die Frage, warum das Pfeil- und Spitzengewicht die Wahl der Feder beeinflusst.

Auch klären wir die Frage, ob Plastikvanes eine Alternative für traditionelle Bogenschützen sind.

 

Weiterführende Links

12 Gedanken zu „Was du über die Federformen für Pfeile wissen musst

  • 29.08.2016 um 22:57
    Permalink

    Da ich demnächst zum Cloutschiesen eingeladen bin, interessiert mich natürlich wie der richtige Pfeil da denn gestalltet sein sollte. Schwerpunkt Federlänge- und höhe etc. Ich schiesse normalerweise Carbon mit selbstgeschnittener Naturfeder (Predator 2040).
    Mfg Lutz

    Antwort
    • 30.08.2016 um 17:13
      Permalink

      Super Frage, Lutz, vielen Dank! Beim Clout musst du ja weit und hoch, also ist Seitenwind nicht dein Freund, dafür ist die Präzision nicht im selben Maße relevant, wie auf die Scheibe. Also würde ich dünne Schäfte mit kleinen Federn wählen. Da könnte man aber auch einen eigenen Artikel draus machen. Mal schauen.

      Wenn es dir eilig ist und du dir eine ganz konkrete Beratung wünscht, können wir das in einem Material-Coaching klären. Findest du unter https://j-c.youcanbook.me

      Antwort
  • 30.08.2016 um 08:47
    Permalink

    vielen Dank für diese ausführliche und „ruhige“ Erklärung.

    mfG

    Antwort
  • 30.08.2016 um 12:26
    Permalink

    Hallo J-C,
    wie schon gewohnt gut erklärt und lehrreich.
    Wie wähle ich denn jetzt die Federn aus?
    Meiner Meinung nach, so klein wie möglich und so groß wie nötig.
    Widerspruch?
    Ganz wichtig ist doch, dass der Pfeil (statisch/dynamisch) dem Schützen angepasst ist.
    Je besser der Pfeil passt, je kleiner können die Federn sein, war zumindest mein „Credo“.
    Zu Zeiten, als ich noch ein eingefleischter „Fita-Schütze“ war, hab ich meine Pfeile so
    „getunt“, dass der Blankschaft auf 50 Meter entsprechend platziert war.
    Ideal für mich (Rechtshandschütze) war dabei: befiederter Pfeil im Gold, unbefiederter in der acht auf acht Uhr.
    Wie sieht das im „traditionellen Bereich“ aus, ich arbeite auch hier noch gern mit dem Blankschaft, allerdings nicht auf 50 Meter, max auf 15 Meter und natürlich mit sehr viel mehr geschossenen Pfeilen.
    Vielleicht kannst Du mal ein Video zur Pfeilauswahl, -abstimmung machen.
    Ansonsten gerne weiter so.
    Viele Grüße
    Werner

    Antwort
    • 30.08.2016 um 17:19
      Permalink

      Danke Werner. 🙂

      Auf die Empfehlung zu Form und Größe gehe ich im nächsten Video und Artikel genauer ein.

      Es hängt sehr stark vom Einsatzzweck ab, wie du ja auch schreibst: 50m Scheibe ist was anderes als 3D. Es gibt hier kein Optimum, aber wenn man die Zusammenhänge versteht, kann man einen optimalen Kompromiss für sich finden.

      Deinen Vorschlag mit den Videos zu Pfeilkonfiguration habe ich mir notiert. Danke für deine Rückmeldung!

      Antwort
  • 30.08.2016 um 16:01
    Permalink

    Jean, die Bogenblog-Basic-Videos, besonders die über Federformen sind einfach super, lehrreich und sehr verständlich vorgetragen. Hier einfach einmal ein Dankeschön dafür!
    Gruß, Jochen

    Antwort
  • 28.09.2016 um 10:40
    Permalink

    Sehr interessanter Beitrag,da ich meine Holzpfeile selbst mache und manchmal das Problem
    habe welche Federn
    Gruß Christian

    Antwort

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